Spektrale 9

Als das Kind Kind war,
war es die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich ich und warum nicht du?
Warum bin ich hier und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum?
Ist was ich sehe und höre und rieche
nicht bloß der Schein einer Welt vor der Welt?
Gibt es tatsächlich das Böse und Leute,
die wirklich die Bösen sind?
Wie kann es sein, daß ich, der ich bin,
bevor ich wurde, nicht war, … Peter Handke

Immer wieder machen sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen auf und verlassen ihre Heimat und ein Stück weit auch sich…
Auch eine unserer 6. Klassen hat sich Gedanken zu diesem Thema gemacht. Gerade in diesem Sommer wird sich für die Kinder viel ändern. Sie verlassen nach sechs Jahren die Grundschule. Sie beginnen an einer weiterführenden Schule einen neuen Lebensabschnitt. Sie verlassen Altbekanntes, Vertrautes und brechen auf ins Ungewisse. Finde ich Freunde? Kann ich meine bisherigen Freundschaften pflegen und halten. Wohin werden wir uns entwickeln? Was möchte ich anfangen? Worauf will ich auf keinen Fall verzichten? Wer ist mir wichtig? Was ist mir wichtig? Was macht mich aus? Wer will ich sein? Womit möchte ich identifiziert werden? Was nehme ich auf jeden Fall mit auf die Reise?
Gemeinsam mit Jost Löber, einem bildenden Künstler aus der Prignitz und Sebastian Franzka, Grafiker aus Lübben, versuchten die 7undzwanzig Kinder sich diesen Fragen zu stellen. Ihre Gedanken setzten sie in Boote, auf Flöße, Schiffe und in Kanus. Diese tragen die Selbstbilder, die Lebensentwürfe, die Wünsche und Hoffnungen und die Gewissheiten auf ihrer inneren Reise durchs Leben.

Kunst kann eine Menge bewirken, setzt Prozesse in Gang, von denen man nichts ahnt. Aus einem Haufen Schrott und Wurzeln, Brettern und Ästen solch eine Aussage gestalten! Was für eine Herausforderung!
Wie immer ist es vom Entwurf zur Materialwahl, der handwerklichen Umsetzung bis hin zum fertigen Objekt ein langer Weg.
Ein Teil der Skulptur entstand aus Metall. Jost Löber betreute das Kinderprojekt. Gespräche zwischen ihm und den kleinen Künstlern beförderten Ideen und regten zu neuem Blicken an.
Ein zweiter Teil der Arbeiten besteht aus Holz. Die Ideenfindung, Skizzen auf Holz und die Umsetzung betreute Sebastian Franzka. Er begleitet die Kinder unserer Schule seit Jahren bei solch kreativen Vorhaben.
Das Spektralekunstprojekt erforderte viel Anstrengungsbereitschaft, Vorstellungs- und Durchhaltevermögen und handwerkliches Geschick. Von der Idee über die Umsetzung bis hin zur Installation ihrer Werke übernimmt die Sechste alles Notwendige selbst. Die Spannung hielt über drei Arbeitstage an. Was für eine intensive Zeit! Zeit mit anderen und viel Zeit mit sich und seinen Gedanken allein.
Diese Erfahrung kann nicht mit anderem verglichen oder aufgewogen werden. Es ist für uns immer wieder wichtig, Kindern solche Möglichkeiten zu schaffen. Wir bedanken uns deshalb ausdrücklich bei den beiden Männern, die mit großem Ernst und offensichtlicher Freude mit den Kindern zusammenarbeiteten. Sie ließen sich auf den Einzelnen ein. Ein Jeder fühlte sich wahrgenommen. Für diese Wertschätzung der uns anvertrauten Kinder sagen wir herzlich DANKE!
Der Profit ist in Zahlen nicht messbar, dafür umso nachhaltiger.
In solche unwiederbringlichen Begegnungen zu investieren, lohnt im Wortsinn allen Beteiligten. Der Landkreis tut dies mit der Förderung solcher Kinderkunstprojekte seit Jahren während der Spektrale und der Aquamediale. Bitte nicht nachlassen!

Am Zeugnistag dann nahmen die Sechsten Abschied von der Grundschule. Mit einem schönen Programm zum Thema „Als das Kind ein Kind war“ präsentierten die 7undzwanzig Künstler stolz ihre bleibenden Kunstobjekte den Mitschülern, Lehrern und Gästen.
Ihre beeindruckenden Installationen erläuterten sie nun den Besuchern der Vernissage, auch dem Kurator, Herbert Schirmer und dem Kulturdezernenten des Landkreises, Carsten Saß.
Das Gesamtkunstwerk regt nun auf dem Schulhof zum Staunen, Reden und Nachdenken an.

Als das Kind Kind war,
ging es mit hängenden Armen,
wollte der Bach sei ein Fluß,
der Fluß sei ein Strom,
und diese Pfütze das Meer.

Als das Kind Kind war,
wußte es nicht, daß es Kind war,
alles war ihm beseelt,
und alle Seelen waren eins. Peter Handke

Links
Hier kann man noch mehr über Jost Löber erfahren.|https://mobiler-kunst-raum.de/